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Täuschen und Mogeln

Täuschen und Mogeln   29.09.2017 / G. R. Pelz

Nicht nur in der Schule wird geschummelt!

Wer sich während einer Klassenarbeit beim Schummeln erwischen lässt, hat ernste Konsequenzen zu befürchten. Begründet wird dies mit folgenden Argumenten:

Die Arbeiten sollen dazu dienen, Chancengleichheit zu gewährleisten und einen individuellen (auf den einzelnen Schüler bezogenen!) Leistungsstand festzustellen. Was zumeist jedoch erfolgt, ist die Erhebung von „vergleichbaren“ Leistungsdaten innerhalb einer kleinen Gruppe (Klasse), denn jeder Schüler (stets auch: „Schülerin“) muss ohne Rücksicht auf seine individuellen Stärken und Schwächen dieselben Aufgaben in derselben Zeit erledigen und wird in einen „Klassenspiegel“ eingeordnet.

Hat einer von ihnen gemogelt, verschiebt sich seine „Leistung” auf der Gauß-Kurve  nach links in Richtung der besseren Arbeiten. Als Folge davon werden die Bewertungen der übrigen Schüler nach rechts gedrängt. An ihrer Leistung hat sich dadurch natürlich nichts geändert, nur werden sie bei Anwendung der Gauß-Verteilung jetzt schlechter bewertet. Ein Einzelner verschafft sich damit einen Vorteil gegenüber allen anderen – zum Nachteil seiner Mitschüler!

Die meisten Lehrer kommen ihrem staatlichen Erziehungsauftrag nach und versuchen den Schülern beizubringen, dass sich rücksichtsloses Verhalten – um einen eigenen Vorteil zu erlangen – gegenüber den Mitschülern oder auch der Allgemeinheit nicht gehört. Leider „vergessen“ sie nur allzu oft den Hinweis, dass diese lobens- und erstrebenswerte Tugend von allzu vielen Menschen mehr missachtet als befolgt wird. Sanktionen gibt es hier fast nie – und wo sie fehlen, fallen auch die Hemmungen.

Im wirklichen Leben wird gelogen und betrogen, dass die Balken krachen. Deshalb wäre es ein wichtiger Bildungsauftrag, die Schüler dafür zu sensibilisieren, ein der schulischen Erziehung entgegengesetztes Verhalten zu erkennen. Sie sollten lernen, zweifelhafte Aussagen und Darstellungen zu entlarven, unehrlichen Gewohnheiten gegenzusteuern und gesellschaftliche wie auch persönliche Nachteile zu vermeiden, ohne damit die Zivilcourage aufzugeben. Politische Parteien, die von ihnen gebildeten Regierungen sowie einige Wirtschaftsunternehmen zeigen daran kaum Interesse, denn viele von ihnen gehören selbst zu den schlimmsten Übeltätern. Aufgeklärte Bürger (und natürlich Wähler), die Schummeleien zu durchschauen in der Lage sind und sich dann selbstbewusst dagegen wehren können, sind eher unerwünscht!

Die folgenden Beispiele zeigen einige jener Tricks, denen wir tagtäglich in der Presse und in Medien begegnen können. Sie gehören zur Statistik, einem Teilgebiet der Mathematik. Selbst in dieser „exakten“ Wissenschaft ist es möglich, dass dieselben Zahlen und Darstellungen gleichzeitig falsch und richtig sein können: „Falsch“ als Täuschung mit der ganz gezielten Möglichkeit, einen eigenen Vorteil zu erlangen, und „richtig“ als Rückversicherung des Schummelnden, falls er dabei erwischt wird.

Auffällige Darstellung

Dramatisch erscheint die Grafik links neben der Überschrift:

Betrachter schauen vor allem auf den roten Balken, weil dieser die Grafik verläßt, eine Linie durchstößt und sogar die Überschrift zur Seite drängt.

Die Manipulation der y-Achse ist der häufigste Trick, um einen Verlauf zu dramatisieren (angewendet besonders bei nur geringer Schwankungsbreite der einzelnen Werte).

In der Grafik mit der roten Linie wird durch die Ansicht eines Ausschnitts der y-Achse der Eindruck erweckt, es ginge rasant abwärts. Dieselben Werte zeigen die Abbildungen mit der blauen Linie, deren y-Achse bei 0 beginnt, und sie belegen, dass noch genügend Potential nach unten vorhanden ist und die Entwicklung (Kurve) in Wirklichkeit eher seitwärts und nur leicht abfallend verläuft.

Dasselbe läßt sich mit ähnlicher Wirkung auch in einem Balkendiagramm darstellen.

Auswahl von Datenpunkten

Fast schon eine Fälschung ist die Methode, aus den Datenpunkten einer Kurve nur solche auszuwählen, die passend erscheinen. Im dargestellten Beispiel sind es ausschließlich jene, durch die sich eine aufsteigende Gerade legen läßt. Werden Kurve und Punkte auch noch weggelassen, bleibt allein die tendenziell falsche Gerade übrig.

Noch einfacher machen es sich die Urheber von Grafiken auf der Basis der Werte von zwei willkürlich ausgesuchten Jahren. Gewisse Schwankungen vorausgesetzt, ist hier nahezu jede Darstellung von stark fallend bis hoch ansteigend möglich.

Da keine weiteren Daten einbezogen wurden, läßt man der Fantasie oft freien Raum. Die zwei ausgesuchten Werte sind dann zwar korrekt, aber sowohl die Auswahl der beiden Jahre als auch weitere Jahre dazwischen und evtl. der Zeitraum vorher und nachher lassen sich beliebig manipulieren. Oft wird hier keine Gerade, sondern etwas frei Erfundenes eingezeichnet.

Manipulierte x-Achse

Eine besonders bei Jahresvergleichen bebeliebte Methode ist das Überspringen der Werte jener Jahre, die nicht zum angestrebten Ergebnis passen. Damit läßt sich entfernen, was dem Leser verborgen bleiben soll (hier z. B. die hohen Werte 1997–2000).

Soll dagegen das niedrige Niveau im Jahr 1996 verschwiegen werden – z. B. weil es dem von 2010 entsprach – braucht nur ein einziger Wert aus dieser Kurve (nämlich der von 1996) entfernt zu werden.

Und schon läßt sich die Entwicklung wieder ganz anders als zuvor interpretieren:

Zusammenfassen und Mittelwerte bilden

Beispiel: Ein Manager steht vor dem Problem, die (nebenstehende) Geschäftsentwicklung der letzten Jahre auf einer Versammlung darstellen zu müssen:

Nach guten Ergebnissen bis 2001 war ab 2002 ein sehr starker Rückgang zu verzeichnen. Danach folgte zwar eine Erholung, aber die derzeitige Entwicklung könnte ihn seinen Job kosten. Wie kann er dies verhindern? Ganz einfach: Durch Zusammenfassen der Jahre 2001–2005 und 2006–2010 und Bildung der jeweiligen Mittelwerte. Aus diesen läßt sich dann eine neue Balkengrafik erstellen, die ein sehr viel positiveres Bild vermittelt. Jetzt kann er nur noch hoffen, dass niemand nach den Zwischenwerten fragt oder sogar die aktuelle Geschäftslage wissen will.

Optische Flächenvergrößerung

Eine beliebte Täuschungsmethode ist der Größenvergleich mit einer Abbildung. Soll z. B. die Vergrößerung einer Fläche von 50 m2 um die Hälfte auf 75 m2 (Faktor 1,5) veranschaulicht werden, läßt sich der folgende Weg beschreiten:

Sowohl die Länge als auch die Breite der Fläche werden um diesen Faktor vergrößert, was dann jedoch dem Faktor 1,52 = 2,25 entspricht, d. h. die dargestellte Fläche wäre nicht 75 m2, sondern 112,5 m2 groß. Damit läßt sich natürlich auch eine „vergrößerte” Wirkung erzielen! Solche Täuschungen findet man häufig im Wohnungsmarkt oder in vergleichenden Grafiken – und überall dort, wo nicht richtig gerechnet wird.

Dr. Gerhard Rudi Pelz