2. März 2020 / Ein Beitrag zur Pandemie durch den Corona-Virus SARS-CoV-2
Ameisen töten infizierte Koloniemitglieder. „Soziale Immunität” – Parallele zum Immunsystem
Ansteckende Krankheiten müssen auf anfällige Wirte übertragen werden, um sich auszubreiten. Während sich sogenannte „vektorisierte Pathogene” auf Vermittler verlassen können, um neue Wirte für sie zu finden, erfordern viele der „infektiösen Pathogene” einen engen Kontakt oder eine direkte Interaktion. Dies bedeutet, dass Artgenossen für die meisten Tiere häufig die Hauptinfektionsquelle darstellen. Daher sollten Tiere – wie auch Menschen – theoretisch Artgenossen meiden, um ihr Infektionsrisiko zu verringern.
Auf dem Papier sollte eine soziale Insektenkolonie besonders anfällig für Krankheiten sein, da sie häufig Tausende potenzieller Wirte enthält, die eng miteinander verwandt sind und häufig interagieren; zudem existieren stabile Umweltbedingungen, die das mikrobielle Wachstum fördern. Krankheitsausbrüche scheinen jedoch selten zu sein, und Versuche, Schädlingsarten mithilfe von Krankheitserregern auszurotten, sind immer wieder gescheitert. Evolutionsbiologen, die diese Beobachtung untersuchten, haben herausgefunden, dass die verringerte Krankheitsanfälligkeit bei sozialen Insekten teilweise auf kollektiv durchgeführte Krankheitsabwehr der Arbeiter zurückzuführen ist. Diese Abwehrkräfte wirken wie ein „soziales Immunsystem“ für die Kolonie, was zu einer Abnahme der Krankheit pro Kopf führt, die als „soziale Immunität” bezeichnet wird.
Eine der Möglichkeiten ist die „destruktive Desinfektion“, d. h. die Verwendung von endogen hergestelltem sauren Gift, das Gartenameisenkolonien prophylaktisch in ihr Nest sprühen, um kranke Brut abzutöten und die Replikation des Erregers zu verhindern.
Sofern es den Ameisen nicht gelungen ist, die Ansteckung mit der tödlichen Erkrankung zu verhindern, werden infizierte Koloniemitglieder von Arbeiterinnen getötet. Die Kolonie wird dadurch vor dem Ausbruch einer Epidemie verschont. Zu diesem Schluss kamen Forscher des Institute of Science and Technology Austria (http://ist.ac.at / Pull, Christopher (DOI 10.15479/AT:ISTA:th_861 und DOI 10.7554/eLife.32073.001).
Vorgehen wie bei Wirbeltieren
Laut den Wissenschaftlern zeigen Ameisenkolonien bei dieser Art der Krankheitsbekämpfung eine starke Ähnlichkeit mit dem Immunsystem, das den Organismus von Wirbeltieren schützt. Kommt eine Ameise beispielsweise mit dem krankheitserregenden Pilz Metarhizium in Berührung, so wird sie zu einer Gefahr für die gesamte Kolonie. Eine Infektion unter den eng zusammenlebenden Ameisen könnte das Aussterben der Kolonie bedeuten, wenn es nicht gelingt, die Krankheit einzudämmen.
Die Forscher konnten zuvor bereits zeigen, dass Ameisen der invasiven Art Lasius neglectus Koloniemitglieder intensiv reinigen und pflegen, wenn sich pathogene Pilzsporen auf deren Körpern befinden. Dadurch senken sie das Risiko, dass der Pilz in den Körper eindringt und das Tier infiziert. Kann der Pilz hingegen nicht auf die herkömmliche Weise bekämpft werden, bleibt nur ein Ausweg. Handelt es sich um infizierte Brut, ist die Antwort auf eine tatsächlich erfolgte Pilzinfektion radikaler: In einer Serie von Experimenten fanden die Forscher heraus, dass Ameisen unbewegliche Puppen töten, um den Lebenszyklus des Erregers zu unterbrechen, sodass er sich nicht weiter ausbreiten kann.
Frühes Eingreifen schützt Kolonie
Die Ameisen gehen selektiv vor. Mithilfe von chemischen Krankheitshinweisen detektieren sie Tiere, die bereits tödlich infiziert sind und eliminieren sie. " Die Koloniemitglieder sind in der Lage, kranke Koloniemitglieder schon in einer frühen Phase des Infektionsverlaufs zu riechen und zu isolieren. Danach führen sie das durch, was wir als „destruktive Desinfektion” bezeichnen: das Töten von Pilz und erkranktem Tier, um den Erreger daran zu hindern, ansteckend zu werden und sich auf Nestgenossen auszubreiten" , so ISTForschungsleiterin Sylvia Cremer. Dieses Vorgehen besitze viele Parallelen zum Immunsystem von Wirbeltieren.
G. R. Pelz / Quellen: http://ist.ac.at / Pull, Christopher (DOI 10.15479/AT:ISTA:th_861 und DOI 10.7554/eLife.32073.001); Pressetext (pte20180109020)